Einsamkeit und Isolation | SantéPsy.ch

Regelmässige Kontakte zu Mitmenschen – sei dies über die Gemeinschaft, die Angehörigen oder Unterstützungsnetzwerke – sind für das psychische Wohlbefinden unerlässlich. Es ist jedoch nicht immer einfach, diese Beziehungen aufrechtzuerhalten und es kann vorkommen, dass der Kontakt zum Umfeld aus verschiedenen Gründen verloren geht.

In der Schweiz fühlt sich über ein Drittel der Bevölkerung gelegentlich und mehr als jeder Fünfzehnte häufig einsam. Bei Menschen, die die Einsamkeit nicht gewählt haben, kann sie Leid verursachen und ihre psychische Gesundheit beeinträchtigen. Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten, dieses Gefühl der Einsamkeit zu verringern und wieder Kontakte zu anderen Menschen aufzubauen.

Freiwillige, unfreiwillige Einsamkeit und Isolation

Einsamkeit kann sich auf unterschiedliche Weise äussern. Einerseits gibt es die gewählte Einsamkeit, in die man sich aus freien Stücken zurückzieht, um neue Energie zu tanken, zu sich selbst zu finden und etwas Ruhe zu geniessen. Diese zeitlich begrenzte Einsamkeit kann positiv und sogar stimulierend sein. Manche Menschen verspüren dieses Bedürfnis nach Rückzug stärker als andere.

Andererseits gibt es die unfreiwillige Einsamkeit. Diese Art der Einsamkeit wird häufig als unangenehmes und belastendes Gefühl empfunden, bei dem die sozialen Beziehungen nicht seinen persönlichen Wünschen entsprechen und als unzureichend empfunden werden. Diese unfreiwillige Einsamkeit führt oft zu einer sozialen und emotionalen Isolation, die die geistige und körperliche Gesundheit ernsthaft beeinträchtigen kann. Dieses Gefühl der Einsamkeit kann sich aus der Qualität der Beziehungen (z. B. fehlende Vertrauensbeziehungen), ihrer Quantität (z. B. fehlendes soziales Netzwerk) sowie aus dem Gefühl der Nichtzugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder Gesellschaft ergeben.

In jedem Fall ist Einsamkeit weder eine Schande noch ein unabänderliches Schicksal.

Ursachen für Einsamkeit

Einsamkeit kann alle im Laufe ihres Lebens treffen. Eine neue Studie zeigt auf, dass 24 % der Weltbevölkerung sozial isoliert sind. Einige Bevölkerungsgruppen sind jedoch aufgrund ihres Alters oder ihres sozioökonomischen Umfelds besonders davon betroffen, beispielsweise Seniorinnen und Senioren sowie Jugendliche. Auch das Geschlecht oder die Nationalität spielen eine Rolle: Frauen und Personen mit Migrationshintergrund leiden aufgrund von kulturellen, sprachlichen oder sozialen Barrieren stärker unter Einsamkeit.

Bei den Seniorinnen und Senioren lässt sich die Einsamkeit häufig durch den Verlust von Angehörigen, Mobilitätsprobleme, das Fehlen einer angepassten städtischen Infrastruktur oder wirtschaftliche Schwierigkeiten erklären. Bei Jugendlichen steht sie im Zusammenhang mit Identitätskrisen in dieser Lebensphase, Veränderungen in den sozialen Beziehungen und dem Einfluss der Bildschirme und sozialen Netzwerke auf die Interaktionen (mehr unter «Psychische Gesundheit & Digitale Medien»).

Letztendlich ist jede Erfahrung von Einsamkeit einzigartig und steht im Zusammenhang mit den Eigenarten der Person, die sie erlebt, aber auch mit deren Umfeld. Es ist daher keine Schande, sich einsam oder isoliert zu fühlen.

Die Folgen der Einsamkeit

Wenn die Einsamkeit lange anhält, kann sie zur sozialen Isolation führen. Ohne Austausch und Interaktionen mit anderen ist es schwieriger, Distanz zu den eigenen Gedanken und Emotionen zu gewinnen, was die negativen Gedanken mitunter noch verstärkt. Dies kann zu einem Verlust des Selbstwertgefühls, einem Gefühl der Wertlosigkeit («Niemand braucht mich, also bin ich nichts wert») oder einem Gefühl der Ungerechtigkeit gegenüber der Welt («Das Leben ist gegen mich») führen.

Neben den psychologischen Auswirkungen hat eine anhaltende Einsamkeit auch konkrete Auswirkungen auf die Gesundheit. Es wurde nachgewiesen, dass Einsamkeit ebenso schädlich sein kann wie bestimmtes Risikoverhalten wie Rauchen oder exzessiver Alkoholkonsum. Sie wird in Verbindung gebracht mit:

  • einem um 29 % erhöhten Risiko für Herzerkrankungen
  • einem um 32 % erhöhten Risiko für Schlaganfälle
  • einer bis zu 50 % höheren Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken
  • ein höheres Risiko für Angstzustände oder Depression

Soziale Bindungen spielen eine zentrale Rolle für das psychische und physische Gleichgewicht. Umgekehrt kann ihr Fehlen die Gesundheit schwächen und die Lebenswartung senken. Es ist daher wichtig, Einsamkeit ernst zu nehmen und nach Lösungen zu suchen, um wieder Anschluss und Unterstützung zu finden.

Einige Tipps zur Verringerung von Einsamkeit

Einsamkeit kann schwer zu ertragen sein, unabhängig davon, ob sie vorübergehend oder dauerhaft ist. Sie stellt in keinem Fall den Wert der sich einsam fühlenden Person in Frage und ist kein Zeichen von Schwäche. Im Gegenteil: Viele Menschen sind im Laufe ihres Lebens einsam. Es gibt jedoch Möglichkeiten, den Kontakt zu den Mitmenschen wieder aufzunehmen und sich besser zu fühlen. Jeder kleine Schritt zählt, und es ist immer möglich, neue Beziehungen aufzubauen oder wiederherzustellen.

  • Seine Emotionen akzeptieren, ohne sich dafür schuldig zu fühlen, und versuchen, sie zu verstehen: Zum Beispiel Gefühle aufschreiben, um sie besser zu erfassen; herausfinden, wann man sich einsam fühlt, um solche Momente besser vorhersehen zu können; lernen, die eigene Gesellschaft zu schätzen, indem man auch alleine Dinge unternimmt, usw.
  • Sich auf sich selbst konzentrieren und das eigene Wohlbefinden stärken: sich sowohl psychisch als auch körperlich gut um sich kümmern; eine Routine entwickeln, die einem guttut; sowie seine Leidenschaften und Fähigkeiten weiterentwickeln.
  • Das Gespräch in Alltagssituationen suchen: Sich Zeit nehmen um mit Gewerbetreibenden, Nachbarn und Kolleginnen und Kollegen zu plaudern und Gelegenheiten ergreifen (eine Einladung annehmen, jemanden auf einen Kaffee einladen usw.).
  • Bestehende Beziehungen stärken: Die Initiative ergreifen und einer nahestehenden Person eine Nachricht schreiben oder sie anrufen; regelmässige gemeinsame Unternehmungen organisieren (Spaziergänge, Ausflüge usw.); über seine Bedürfnisse spreche und sich trauen, seine Angehörigen um Unterstützung zu bitten; schrittweise wieder Kontakt zu alten Bekannten aufnehmen.
  • Sich nach und nach ein neues Umfeld aufbauen und neue Leute kennenlernen: Einem Club oder einem Verein beitreten, sich für gemeinsame Aktivitäten anmelden und an lokalen Veranstaltungen teilnehmen.
  • Anderen Zeit schenken: Freiwilligenarbeit leisten, um Menschen mit gemeinsamen Werten kennenzulernen, einer Nachbarin oder einem Nachbarn helfen, indem man seine Dienste anbietet (einkaufen, Haustierbetreuung usw.), an Gemeinschaftsprojekten in seiner Umgebung mitwirken.
  • Um Hilfe bitten falls nötig: mit einer Vertrauensperson über seine Gefühle sprechen, sich an eine Fachperson wenden, wenn die Einsamkeit belastend wird, einer Selbsthilfegruppe beitreten.

Einsamkeit ist keine Sackgasse. Mit etwas Zeit, kleinen Gesten im Alltag und, wenn nötig, ein wenig Unterstützung ist es immer möglich, wieder Anschluss zu finden. Der Weg mag schwierig erscheinen, aber jede Bemühung zählt. Jeder Mensch verdient es, gehört, verstanden und unterstützt zu werden. Einsamkeit ist eine Phase, nicht das Ende, und echte Beziehungen können immer aufgebaut werden, manchmal sogar dort, wo man sie am wenigsten erwartet.