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Seine Identität entwickeln

Zwischen 16 und 25 Jahren bilden wir unsere Identität weiter aus und hinterfragen uns oft selbst: unseren Körper, unsere Gefühle, unsere Werte, unsere Neigungen, unsere Geschlechtsidentität, unser Image (in der Realität oder online), unsere Lebens- oder Arbeitspläne, unseren Platz unter anderen Menschen.

Solche Infragestellungen sind normal. Sie helfen uns dabei, uns zu entwickeln, uns von unseren Eltern zu lösen und einen eigenen Weg zu finden. Doch diese Fragen, die uns beschäftigen und auf die wir manchmal nur schwer Antworten finden, können auch Stress, Zweifel und Spannungen auslösen, umso mehr, wenn wir einer Minderheit angehören.

Wer bin ich?

Diese Frage taucht in der Jugend plötzlich auf und begleitet uns das ganze Leben lang. Im Alter von 16 bis 25 Jahren suchen wir intensiv nach einer Antwort, ohne über eine echte Anleitung zu verfügen. Wir tasten uns vor, experimentieren, treffen Entscheidungen, setzen sie um, überprüfen sie erneut. Wir versuchen eine persönlichere Antwort zu finden als jene, die wir uns anhand unserer kindlichen Gewissheiten aufgebaut hatten oder die uns unser Umfeld vermittelte (Kind von XY, Schüler/-in der Klasse XY, mitgegebene Familienwerte usw.).

Wir versuchen uns besser zu verstehen, unseren Stil und unsere Werte zu definieren und herauszufinden, wie wir in dieser Welt existieren wollen. Wir eignen uns die Rollen, Funktionen, Codes und Normen der Erwachsenenwelt an. In dieser Lebensphase beschäftigen uns vor allem Fragen im Zusammenhang mit unserer sozialen Identität:

  • Wer bin ich als Student/-in, als Berufsangehörige/-r?
  • Wer bin ich als Freund/-in, Partner/-in, Kollegin/Kollege?
  • Wie positioniere ich mich in Bezug auf die Geschlechterrollen?
  • Wo ist mein Platz?
  • Werde ich so anerkannt, wie ich bin?

Sich selbst sein zu können, ist für unsere psychische Gesundheit entscheidend

Identität ist das, was uns ausmacht: unser Geschlecht, unsere Herkunft, unsere Kultur, unsere Überzeugungen, unsere Werte, unsere affektive und sexuelle Orientierung, unsere Persönlichkeit, unsere Lebensentscheide. Es ist eine komplexe Mischung, die sich über die Zeit und mit unseren Erfahrungen (Studium, Freizeit, Beziehungen, Arbeit, besondere Ereignisse usw.) verändert und die durch den Blick der andern auf uns beeinflusst wird. Wir haben eine persönliche Identität, eine soziale Identität und heute auch eine digitale Identität. Freundeskreis, Familie, die Ausbildungs- und Arbeitsumgebung wie auch die sozialen Netzwerke spielen beim Aufbau unserer Identität eine wichtige Rolle.

Zwischen 16 und 25 Jahren ist es völlig normal, sich Fragen zur eigenen Identität zu stellen.

  • Wir müssen uns besser kennenlernen, erkennen, was uns einzigartig macht, herausfinden, was wir mögen, was wir wollen und was wir wert sind.
  • Wir müssen auch allmählich unseren Platz unter den anderen und in der Gesellschaft finden und vor allem dafür anerkannt werden, was wir sind.

Die Identität ist für das psychische Wohlbefinden sehr wichtig. Wenn wir uns verurteilt, abgelehnt oder unverstanden fühlen oder nicht frei zum Ausdruck bringen können, wer wir sind, kann unsere psychische Gesundheit darunter leiden. Das kann zu Stress, Unwohlsein, einem Verlust von Vertrauen und Selbstwertgefühl, Isolation, Trauer oder Angstzuständen führen.

Wenn wir uns hingegen in unserer Identität akzeptiert, verstanden, unterstützt fühlen, stärkt dies unser psychisches Gleichgewicht. Sich selbst sein zu können, ohne Maske und mit Stolz, ist ein wesentlicher Faktor für das Wohlbefinden.

Geschlechtsidentität

Zwischen 16 und 25 Jahren erhält die Frage der Geschlechtsidentität und der affektiven und sexuellen Orientierung eine zentrale Bedeutung.

  • Wir sammeln unsere ersten sexuellen Erfahrungen.
  • Wir entdecken, was wir mögen, was wir wollen, wer wir in diesem Lebensbereich sind, und haben die schwierige Aufgabe, zu unseren Entscheidungen und Vorlieben zu stehen.
  • Wir sehen uns auch mit sozialen Normen zur Sexualität konfrontiert: Heteronormativität, Alter der ersten sexuellen Erfahrungen, Druck, in einer Beziehung zu sein, geschlechtsspezifische gesellschaftliche Ansprüche usw.

Das ist für alle anspruchsvoll, besonders als junger LGBTIQ-Mensch, denn:

  • es kann schwierig sein sich mit den gesellschaftlichen Normen zu identifizieren;
  • es kann sein, dass man häufiger Ausgrenzung, Gewalt oder Diskriminierung erlebt;

  • es kann schwerfallen, in der Gesellschaft offen zu der eigenen Geschlechtsidentität oder affektiven und sexuellen Orientierung zu stehen.

Wenn uns Fragen, Zweifel oder Schwierigkeiten im Zusammenhang mit unserer Identität plagen, ist es wichtig, damit nicht allein zu bleiben und mit Freundinnen oder Freunden, erwachsenen Vertrauenspersonen oder Fachpersonen darüber zu reden. Man kann auch offene und wertungsfreie Räume des Austauschs schaffen oder aufsuchen, in denen man genau so sein kann, wie man ist.

Für junge LGBTIQ-Menschen gibt es in allen Kantonen solche Räume. Sie sind hier aufgelistet.