Die psychische Gesundheit: ein Kontinuum, das sich im Laufe der Zeit und der Lebensereignisse verändert
Die psychische Gesundheit geht weit über die Abwesenheit psychischer Krankeiten hinaus: Sie steht für ein echtes Gefühl des Wohlbefindens, für die Fähigkeit, das Leben zu geniessen und mit Schwierigkeiten umzugehen. Sie ist Teil eines Kontinuums und keine einfache Gegenüberstellung von „guter“ oder „schlechter“ psychischer Gesundheit: Man kann mit einer psychischen Krankeit leben und dennoch ein gutes psychisches Gleichgewicht bewahren, genauso wie man eine Phase der Verletzlichkeit erleben kann, ohne dass eine spezifische Erkrankung vorliegt.
Da sie Teil dieses Kontinuums ist, ist die psychische Gesundheit nicht unveränderlich: Sie entwickelt sich im Laufe des Lebens weiter. Jede neue Lebensphase, jeder Wandel oder jedes wichtige Ereignis stellt eine Herausforderung dar und erfordert Anpassungsfähigkeit. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Veränderung plötzlich eintritt und grosse Umstellungen im Alltag mit sich bringt – etwa bei einer Veränderung der Lebensgewohnheiten, der sozialen Rolle oder der Lebensumgebung, wie es beispielsweise im Rahmen einer Migration der Fall sein kann.
Solche Lebensereignisse erfordern die Mobilisierung persönlicher und äusserer Ressourcen, um sich an die neue Situation anzupassen und ein neues Gleichgewicht zu finden. Manchmal gelingt dies allein, manchmal braucht man jedoch Unterstützung, um solche Phasen zu bewältigen.
Über Schwierigkeiten zu sprechen, Zugang zu Informationen, Ratschlägen und angemessener Unterstützung zu haben, kann positiv beeinflussen, wie man mit diesen Veränderungen umgeht.
Migration und Veränderung von Orientierungspunkten und Lebensgewohnheiten
Die Lebensbedingungen im neuen Land, die Unsicherheit über die Zukunft, aber auch Integrationsschwierigkeiten oder das Gefühl der Ablehnung durch die lokale Bevölkerung können die Lebensqualität beeinflussen. Diese Faktoren können den Alltag erschweren und sich belastend auf die psychische Gesundheit auswirken.
Zudem spielen die Gründe, das Herkunftsland zu verlassen, sowie die Erfahrungen (manchmal auch traumatische) vor oder während der Migrationsreise (z. B. Krieg, Hunger usw.) eine wichtige Rolle. Auch die Trennung von der Familie, die oft im Herkunftsland unter prekären Bedingungen zurückbleibt, oder der fehlende Kontakt zu Angehörigen, können besonders schwer zu ertragen sein.
Insgesamt ist der körperliche und psychische Gesundheitszustand von Migrantinnen und Migranten häufig schlechter als der der übrigen Bevölkerung. Sie sind zum Beispiel häufiger von Depressionen betroffen. Darüber hinaus können Sprachbarrieren und die fehlende Kenntnis des Gesundheitssystems im Aufnahmeland den Zugang zu Informationen, medizinischer Versorgung und notwendiger Unterstützung zusätzlich erschweren.
Die Bedeutung der Fachkräfte
Für die psychische Gesundheit sorgen liegt nicht nur in der Verantwortung von Fachkräften aus dem Gesundheitswesen. Auch nicht-medizinische Fachkräfte (z. B. SozialarbeiterInnen, soziokulturelle BetreuerInnen, Verwaltungspersonal) sowie Freiwillige, die mit Menschen mit Migrationserfahrung arbeiten, spielen eine wesentliche Rolle für die Erhaltung und Stärkung des psychischen Wohlbefindens der begleiteten Personen.
Diese Unterstützung der psychischen Gesundheit kann auf vielfältige Weise erfolgen: sich beispielsweise Zeit nehmen um über ihre Schwierigkeiten zu sprechen, über vorhandene Unterstützungsangebote informieren, ihre Menschlichkeit wertschätzen und dazu beizutragen ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Dazu gehören auch konkrete Aktionen wie der Zugang zu Deutschkursen, gemeinsame Sportangebote oder andere Möglichkeiten für Ausdruck und sozialen Austausch.
Nicht-medizinische Fachkräfte und Freiwillige sind zudem oft die ersten, die erkennen wenn jemand psychisch leidet. Häufig sind es Verhaltensänderungen, die auf eine Belastung oder Notlage hinweisen. In diesem Sinne haben die Personen, die Migranten und Migrantinnen im Alltag begleiten, eine besonders privilegierte Position, um solche Anzeichen wahrzunehmen und gegebenenfalls an medizinisches Fachpersonal weiterzuleiten.
Die Förderung der bestehenden Fähigkeiten der begleiteten Personen, die die Mobilisierung persönlicher Ressourcen (Kompetenzen, Lebenserfahrungen) und äusserer Ressourcen (familiäres, soziales, berufliches oder ehrenamtliches Netzwerk) unterstützt, trägt entscheidend zum psychischen Wohlbefinden der begleitenden Personen bei.
Psy-Health.ch - Eine Website zur Förderung der psychischen Gesundheit von Migrantinnen und Migranten
Um die Botschaften zur Förderung der psychischen Gesundheit von Psy-Gesundheit.ch einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, haben die Westschweizer Kantone und das Tessin die Website Psy-Health.ch entwickelt. Diese bietet zugängliche Informationen und praktische Ressourcen, um psychische Gesundheit besser zu verstehen, zu lernen, wie man sie pflegt, und zu wissen, wo man im Bedarfsfall Hilfe finden kann.
Die Website ist in den folgenden 13 Sprachen verfügbar: Albanisch, Englisch, Arabisch, Spanisch, Farsi/Dari, Französisch, Paschtu, Portugiesisch, Russisch, Tamil, Tigrinya, Türkisch und Ukrainisch.
Die Seite wird ausserdem schrittweise durch Videoberichte in diesen Sprachen ergänzt. Die ersten Videos – auf Spanisch, Dari, Portugiesisch, Russisch, Tamil und Ukrainisch – sind bereits mit englischen Untertiteln verfügbar.